Freitag, 12. Oktober 2018

Misslungenes und Anni Albers - 30. September 2018

Wer zeigt schon gerne Misslungenes. Aber das ist nicht der Grund, warum es keine Bilder von unseren Outtakes gibt. Wir haben schlichtweg vergessen Fotos zu machen. Viel war es jedenfalls nicht. Das ein oder andere Misslungene lag dann doch noch auf dem Tisch:
  • falsche Fadendichten in Kett oder Schuss
  • Materialkombinationen, die sich in der Nachbehandlung unterschiedlich verhalten und so ungewollt zu Wellen und Tälern führen
  • Farbverlaufsgarn im Schuss, welches nicht entsprechend gespult wurde
  • flächig zusammengefilzte Wollgewebe, die schon filzen sollten, jedoch nicht auch noch in sich miteinander
  • Schussflottierungen unterhalb des Gewebes, die erst nach der Abnahme vom Webstuhl zu sehen waren
  • ein geplanter Farbwechsel in Kettrichtung, welcher sich diagonal anstatt vertikal entwickelt hat
Und wie immer kann man aus jedem Fehler etwas lernen. Entweder wie man es besser machen kann, oder wie man den vermeintlichen Fehler zum System erhebt.

Dann gab es noch einen kleinen Ausflug zu dem Projekt zur Arbeit von Anni Albers: With Verticals.
Über "Zoom in" kann man sich dort die Arbeit gut im Detail anschauen. Die Frage, die sich beim Besuch der Ausstellung gestellt hatte, war ja: wie hat sie das nur gemacht? Unsere Idee ist, dass sie ganz einfach den Schussfaden nicht komplett durchgeschossen hat. An definierter Stelle hat sie das Schiffchen immer wieder aus dem Fach hochgeholt, umgetreten, das Schiffchen in derselben Stelle wieder in das Fach eingeführt und weitergeschossen.

Hier unsere erste Variante mit "spitzen Wechseln". (Trittwechselstelle zwischen Kettfäden auf Schaft 1 und 2)

⇨ = Schuss von links nach rechts bis zur "Trittwechselstelle"
⇦ = Schuss von rechts nach links bis zur "Trittwechselstelle"

Anleitung zu lesen von unten nach oben:
Tritt 2 ⇦ Tritt 6
Tritt 3 ⇨ Tritt 5
Tritt 4 ⇦ Tritt 4
Tritt 5 ⇨ Tritt 3
Tritt 6 ⇦ Tritt 2
Tritt 1 ⇨ Tritt 1

Tritte 1 und 4 erlauben einen glatten "Durchschuss" 😉.







Anleitung zu lesen von unten nach oben:
Tritt 6 ⇦ Tritt 2
Tritt 5 ⇨ Tritt 3
Tritt 4 ⇦ Tritt 4
Tritt 3 ⇨ Tritt 5
Tritt 2 ⇦ Tritt 6
Tritt 1 ⇨ Tritt 1



Abweichend von dem Original haben wir dann noch eine Variante mit "gebrochenen Wechseln" entwickelt:




Anleitung zu lesen von unten nach oben:
Tritt 6 ⇦ Tritt 4
Tritt 5 ⇨ Tritt 5
Tritt 4 ⇦ Tritt 6
Tritt 3 ⇨ Tritt 1
Tritt 2 ⇦ Tritt 2
Tritt 1 ⇨ Tritt 3
Tritt 6 ⇦ Tritt 6 (letzter Schuss vor Wechsel)

Tritte 2 und 5 erlauben einen glatten "Durchschuss" 😉.







Anleitung zu lesen von unten nach oben:
Tritt 4 ⇦ Tritt 6
Tritt 5 ⇨ Tritt 5
Tritt 6 ⇦ Tritt 4
Tritt 1 ⇨ Tritt 3
Tritt 2 ⇦ Tritt 2
Tritt 3 ⇨ Tritt 1
Tritt 6 ⇦ Tritt 6 (letzter Schuss vor Wechsel)



Grundsätzlich ist ein Wechsel, ob gebrochen oder spitz, zwischen allen Kettfäden möglich. Es muss dann nur die entsprechende Trittfolge erarbeitet werden.

Und hier einige Bilder zur praktischen Umsetzung. Die Trittwechselstelle wurde in diesem Fall durch einen bunten Faden gekennzeichnet, welcher zusätzlich zum Kettfaden auf Schaft 1 eingezogen wurde.


Anni Albers Arbeit heißt "With Verticals". Das heißt sie hat beide Richtungen aufgebrochen, den Schuss wie oben gezeigt, und die Kette durch partieweises Austauschen der Kettfäden. Die Bilder zeigen die Umsetzung eines einfachen Entwurfes:


Hier unsere Herangehensweise auf unserem "David", der als Tiefzug arbeitet:


Die "neuen" Kettfäden werden von hinten zusätzlich zum ursprünglichen Kettfaden durch die "erste" Litze gezogen, durchs Blatt gezogen und mit einer Stecknadel etwas vorm Geweberand befestigt. Anschließend wird der zusätzliche Kettfaden unter den ersten beiden ursprünglichen hindurchgeführt, nochmals an der Stecknadel befestigt und gleich wieder zurück durchs Blatt und durch die nächste Litze wieder hinter den Webstuhl geführt; beide Fadenenden werden nach hinten mit Gewichten abgehangen. (Es werden also immer zwei Kettfäden durch einen neuen Faden "ersetzt".) Die ursprünglichen Kettfäden werden als Bündel hinter der Weblade durch ein Gewicht nach unten abgehangen.

Das Schiffchen wird durch das Fach geführt und dabei über die abgehangenen Kettfäden geleitet, die somit immer auf der Gewebeunterseite bleiben:

Sind die neuen Kettfäden nach einer Weile genügend eingewebt, können die Stecknadel entfernt und die Kettfäden nach hinten angezogen werden. Ist die gewünschte Höhe des Kettstreifens erreicht, werden die zusätzlichen Kettfäden mit ausreichender Länge abgeschnitten und fadenweise zwischen den ursprünglichen Kettfäden auf die Gewebeunterseite geführt. Nach Abnahme des Gewebes können sie dort vernäht werden. So haben wir es jedenfalls gehandhabt.


Und zu guter Letzt noch ein kleines Anschauungsvideo. Der zusätzliche Orientierungsfaden für das Erkennen der Trittwechselstelle wurde hier durch einen von oben durch die Kette geführten Orientierungsfaden ersetzt. Diese Lösung hat sich als leichter zu handhaben herausgestellt.




Uns hat das Projekt jedenfalls viel Spaß gemacht, und auch zu so manch meditativer Übung geführt, wenn es mal wieder nicht so richtig geklappt hat. Vielleicht inspiriert es ja zum Nachmachen, Weiterentwickeln, oder zu neuen Ideen beim Weben!