Sonntag, 5. Februar 2023

Jahresprojekt 2022 - 29. Januar 2023

"Inspirationen aus der Natur", das war das Thema unseres letzen Jahresprojektes. Das Schöne an solch einem gemeinsamen Projekt ist zum einen die Vielfalt, welche aus derselben Anregung entsteht, zum anderen entstehen Gewebe, die man sonst nicht gewebt hätte. Trotz aller Bedenken, dass das Thema zu weitgefasst sei, konnten wir doch einiges anschauen und vor allen Dingen auch befühlen. Wie sich ein fertiges Gewebe letztendlich anfühlt ist ein wichtiges Kriterium bei der Beurteilung, ob es denn nun gelungen ist oder nicht. Und da gehen die Anforderungen von fest und stabil bis hin zu leicht und fluffig, je nachdem, welchen Zweck es erfüllen soll.

Insgesamt neun Beiträge lagen auf dem Tisch und ein Beitrag steht noch aus. Mechthild hatte gleich zwei sehr unterschiedliche Gewebe mitgebracht. Zum einen ein Seiden-Band in Brettchenweben, zum anderen eine Tasche, auf dem Damastwebstuhl gewebt:

Die Fischkugel im Teich hatte es ihr angetan. Sie wollte Fische in verschiedene Richtung schwimmend und leicht im Schuppenkleid variierend weben. Das ist ihr sehr gut gelungen. Die Anregung hat sie in den Weiten des Internets gefunden. Auszuklamüsern wie diese umzusetzen ist, war die erste Herausforderung. Das eigentliche Weben dann die zweite. Insgesamt 24 Musterbrettchen und jeweils 8 Randkarten waren im Einsatz! Und wenn dann alles fertig eingerichtet ist, und es endlich losgehen kann mit dem Weben,.... dann ist für Mechthild der Spaß vorbei. Ihre größte Freude ist das Verstehen und Vorbereiten, bis hin zu dem Punkt wo alles funktioniert! So unterschiedlich sind die Web-Freuden😉.

Ihr zweiter Beitrag war die Umsetzung einer gelben Rose, welche sie sehr gerne mag. So kann sie nicht verblühen und wird sie auf manchen Einkäufen begleiten. In eine schwarze Kette hat sie gelben Schuss eingetragen und 40 Musterschäfte im Einsatz gehabt. Beide Arbeiten kann man auch als "slow weaving" betrachten. Wie gut, dass wir nicht schnell weben und fertig werden müssen, sondern dass uns das Weben lange Freude bereiten kann. Es kommt auch hier einmal wieder auf die Einstellung an: viel Arbeit oder viel Freude, es liegt an meiner Haltung dazu.

 

Auch viel Freude hatte Gerda mit ihren kleinen Bildwebereien. Ihr Inspirationen fand sie auf Spaziergängen in der Westruper Heide bei Haltern:


In 2017 hatten wir in der Vorbereitung auf das Thema Bildweben diese wunderbaren kleinen Pappwebrahmen entdeckt, die ganz einfach mit einem Stück Pappe hergestellt werden können. Sie passen sozusagen in jede Handtasche. Mit Hilfe von Webnadeln oder anderen längeren Nadeln lassen sich so nette kleine Bilder weben. Durch die Wölbung der Pappe ist es leichter, sich durchzufädeln; es gibt hier ja keine Webfächer.



Den Vogel abgeschossen hat Agnes. Natürlich nur bildlich gesprochen, schließlich sind sie ihr eine große Freude, in ihrem Garten in Königswinter, von dem aus sie auf den Ölberg schauen kann. Und in ihrem Garten ist anscheinend immer recht viel los! Neben Spatz, Drossel, Rotkehlchen, Dompfaff, Meisen und Eule hat sich auch ihre Katze auf der Jagd nach Mäusen ins Bild geschlichen. Und die Maulwurfshügel weisen auch noch auf weitere Gäste in ihrem Garten hin. So konnte sie zwei ihrer großen Lebensfreuden miteinander verbinden, den Garten und das Weben! Mit über 80 Jahren ist sie unsere älteste Weberin und immer auf der Jagd nach neuen Herausforderungen.


Hier die letzte bildhafte Umsetzung einer Inspiration. Das ganze Jahr über habe ich hin und her überlegt, wie ich das Bild der Wildrose umsetzen kann und möchte. Da waren vier Farben im Spiel: Grün für den Hintergrund, Rosa, Weiß und Gelb für die Wildrose. Wie ich es drehte und wendete, es fehlten mir einfach Schäfte und Tritte für die Umsetzung. Das Jahr neigte sich dem Ende zu, und es schien fast so, als ob ich, die ich ja das Projekt angestoßen hatte, keinen Beitrag dazu finden würde (der mich zufrieden gemacht hätte).

Für das neue Programm in 2023 hatte Gerda die „Moorman-Technik“ als Thema vorgeschlagen. Vielleicht könnte das ja ein Weg sein. Bei der Recherche zur Moorman-Technik bin ich dann auf die Seite von Laura Foster Nicholson und ihren Blogbeitrag "Color and Weaving in My Work" gestoßen. Sofort war mir klar, dass ich damit meine Idee umsetzen konnte, und das mit nur 3 Schäften und 6 Tritten. Auf einem 3-bindigen Kettköper als Grundgewebe trägt sie manuell und partiell einen „zusätzlichen“ Musterschuss in 3-bindigem Schussköper ein. Die durchgehenden Schüsse für das Grundgewebe trägt sie mit einem Schützen ein, die zusätzlichen Musterfäden werden wie beim Bildweben zu Puscheln gewickelt und können so genau dort in das Gewebe ein- und wieder hinausgeführt werden, wo es gewünscht wird.

Dabei ist ihre Vorgehensweise wie folgt:
· Sie hebt Schaft 1 und legt, dort wo sie möchte, den Musterfaden ein (Schussköper)
· Sie hebt Schaft 1 und 2 und schießt den Grundschuss ein (Kettköper)
· Sie hebt Schaft 2 und legt, dort wo sie möchte, den Musterfaden ein (Schussköper)
· Sie hebt Schaft 2 und 3 und schießt den Grundschuss ein (Kettköper)
· Sie hebt Schaft 3 und legt, dort wo sie möchte, den Musterfaden ein (Schussköper)
· Sie hebt Schaft 3 und 1 und schießt den Grundschuss ein (Kettköper)

Die Grundschüsse schieben sich unter die Musterfäden, bzw. die Musterfäden schieben sich auf die Grundschüsse. Und damit ist sie absolut frei in der bildlichen Gestaltung des Gewebes. Anders als bei der Moorman-Technik, bei der 5-er Schussflottierungen entstehen, entstehen bei Lauras Technik 2-er Schussflottierungen. Dadurch sind die „Wendestellen“ anschmiegsamer. Und hier meine ersten Umsetzungen der Technik. Wie ihr sehen könnt gibt es ein Original (die Wildrose) und weitere dadurch inspirierte Phantasieblumen. Die kleinen Kreise habe ich noch auf dem Webstuhl nachträglich „eingestickt“. Auch das ist mit dieser Technik möglich! Auf dem Webstuhl lag das Ganze um 90° gedreht.

 
Bei dem Bären habe ich die Musterfäden immer unterhalb des Gewebes abgelegt. So konnte ich sie genauer führen und es gab keine Schlaufen an den Wendestellen. Damit kann ich sogar eine 2-er Schussflottierung zwischen zwei Musterffäden „aufteilen“. Laura Foster Nicholson selber mag die „Schlüppchen“ lieber. Ich selber weiß es noch nicht so genau. Aber es ist gut zu wissen, dass es beide Möglichkeiten gibt. Vor allen Dingen der Bär war eine Wahnsinnsarbeit. Ich hatte mir das Motiv auf Architektenpapier, welches ja transparent ist, aufgezeichnet. Für jeden Musterfaden musste ich das Motiv neu auflegen, um zu entscheiden wo der Faden auf- und abtauchen sollte. Zu Spitzenzeiten hatte ich sechs Musterfäden in Arbeit. Wie man gut sehen kann bin ich hier erst im Laufe der Arbeit auf die Abtauch-Methode umgestiegen. Auf jeden Fall hat mir das Weben viel Freude bereitet. Und ohne das Jahresprojekt wäre ich vielleicht nie auf diese Technik mit all ihren Möglichkeiten gestoßen.


Nun kommen zwei Gewebe, bei denen die Farben Inspiration für die Gestaltung waren. Kathrin liebt die zarten Kirschblüten-Meere im  Frühling. Zu gerne würde sie diese einmal in Japan erleben. Das Tuch hat sie im gleichseitigen Köper 2/2 gearbeitet, mit wenigen kurzen Richtungswechseln im Einzug. Ursprünglich waren keine Querstreifen in Schussrichtung geplant, sie sind spontan am Webstuhl entstanden, wie wir fanden ein gute Eingebung, der sie einfach gefolgt ist. Egal wieviele Überlegungen man sich im Vorfeld macht, bei der praktischen Umsetzung können immer wieder neue Ideen auftauchen. Und oft wünscht man sich dann, dass die Kette doch noch länger hätte sein können.



 
Susannes Gedanken zu ihrer Wolldecke: Mein Thema ist das Meer: "Wellen, Himmel, dazu Kies und Sand". Die Garne habe ich von Reisen, ebenfalls mit dem Bezug zum Meer, mitgebracht. Damit dem meist unruhigen Meer auch im Gesamteindruck Rechnung getragen wird, habe ich zwei Köper K1/3 und K2/2 eingebaut. Hier erfolgte dann zusätzlich nach jeder vierten Schussreihe ein Farbwechsel mit Gratrichtungswechsel. Das Ergebnis ist eine 1,40 m * 1,90 m große Decke, welche ich im aktuellen Winter schon reichlich genutzt habe. Ich freue mich schon auf das nächste Jahresprojekt!
 

 
Charmant hat Ute einige Arbeiten aus ihrem letzten Weberjahr mit in das Jahresprojekt eingebunden. Sie hat das Pferd sozusagen von hinten aufgebäumt: welche Assoziationen im Zusammenhang mit der Natur rufen die Gewebe hervor. Wir waren großzügig und haben es natürlich gelten lassen. Links ein zartes Gänseblümchen-Handtuch in Deflected Doubleweave und rechts ein Regenbogen-Spültuch in Waffelbindung:


Zu guter Letzt Marions Beitrag zum Jahresprojekt. Sie scheint mit hellseherischen Fähigkeiten ausgestattet zu sein, hat sie doch schon vor Ausrufung des Themas voll ins "Schwarze" getroffen. Kurzerhand hat sie ihre Schafe mitgebracht, gewebt in Taqueté mit Hilfe von Nagelschäften (siehe Beitrag 09.2022). Na ja, so kann man es auch machen 😏. Aber auch hier sind wir großzügig:

 

Kirsten war zum ersten mal beim WeberTreff dabei. Mit dabei hatte sie ein Schultertuch im selbst entworfenen Schottenkaro. Am nächsten Tag sollte es als Geschenk abgeholt werden und musste noch mit Fransen versehen und auch  noch nachbehandelt werden. Sie hat das Tuch nicht als Beitrag zum Jahresprojekt gewebt. Aber wenn das mal nicht durch eine schottische Heidelandschaft inspiriert worden ist 😉:


 

So waren es dann zehn Beiträge zu unserem Jahresprojekt. Und das nächste Thema wurde auch schon gefunden: Dräll, Dräll, Dräll und Drell! Wer mehr dazu wissen möchte, in 2018 war "Dräll ist nicht gleich Dräll" schon einmal Thema im WeberTreff: klick!


Zu allerletzt noch einige Eindrücke vom Treff selber. Neben regem Austausch gab es natürlich wie immer Schmausen am gemeinsamen Buffet:

 

Und zu allerallerletzt, versprochen, hier noch zwei Zusammenstellungen von den mitgebrachten Schiffchen, Schützen & Co: