Montag, 10. August 2020

Aus der Färbeküche - 26. Juli 2020

Endlich war es wieder soweit: raus aus dem Homeoffice, hinein in die Farbtöpfe! Und nirgendwo kann man besser färben als bei Marion, gibt es dort doch jede Menge Platz. Das letzte Färben war ja nun auch schon wieder vier Jahre her, kaum zu glauben.

Nachdem wir uns das letzte mal im März gesehen hatten, gab es natürlich auch so viel zu erzählen; bis es dann in die Vollen ging: Auf dem Programm standen sowohl das Färben mit synthetischen Säurefarben als auch mit Pflanzenfarben.

 

Hier nun einiges zum Färben von tierischen Fasern (Wolle und Seide) mit Pflanzenfarben,
am Beispiel der Färbedroge Schilfblüten:

1. Das Beizen der Fasern

Beim Färben mit pflanzlichen Färbematerialien muss die Wolle zunächst gebeizt werden:
Die Metallmoleküle der Beize setzen sich an die Fasern. An diese können nun die Farbmoleküle andocken. Sie gehen eine unlösliche Verbindung ein, man spricht auch von Verlacken. Wie bei Karin Tegeler (klick!) gelernt, verwende ich dafür die moderne Aluminium Kaltbeize nach Johannes Harboth. Sie ist einerseits faserschonend, andererseits umweltfreundlich.

Die gereinigten Wollfasern oder –garne werden 8-12 Stunden in die Beize gelegt und anschließend mit klarem Wasser ausgespült. Das ist notwendig, da sich ansonsten im folgenden Färbebad die Farbmoleküle auch an die nicht mit der Faser verbundenen, schwimmenden Beizmoleküle hängen und zu Boden fallen würden. Für den eigentlichen Färbevorgang stünden somit weniger Farbmoleküle zur Verfügung.

Die gebeizte Wolle kann:

  • sofort zum Färben verwendet werden
  • oder zunächst getrocknet gelagert werden, um schnell Färbewolle griffbereit zu haben.

Bezugsquelle für die Kaltbeize: z.B. das-wollschaf.de (Anleitung liegt bei und ist wirklich einfach)

2. Das Sammeln der Schilfblüten

Der Zeitpunkt der Ernte bestimmt die Farbe, die man erzielen kann. Bei einer frühen Ernte, bevor die Rispen sich rot färben, kann ein sehr intensiver Gelbton gefärbt werden. Will man jedoch Grüntöne erreichen, müssen sich die Rispen erst rot färben.

 

3. Die Färbeflotte ansetzen

Die Schilfblüten werden 1-2 Stunden ausgekocht. Die so entstandene Färbeflotte wird durch ein engmaschiges Netz gegeben, um das Färbematerial heraus zu filtern. Das Material wird in dem Netz eingebunden und kann später beim Färben weiter mit verwendet werden um die Farbausbeute zu erhöhen. Der Einfachheit halber haben wir ohne Netz gearbeitet, und haben die ausgekochten Schilfblüten anschließend heraus gefischt.

Erstaunlicher Weise wird die Färbeflotte rot und die die eingelegten Fasern werden anschließend grün!

4. Das eigentliche Färben

Bevor die Fasern in die Färbeflotte kommen sollten zwei Dinge beachtet werden:

  • die Wolle sollte gut nass sein, es sollte sich keine Luft mehr zwischen den Fasern befinden, welche die Aufnahme der Farbe verhindern könnte
  • die Wolle sollte möglichst die gleiche Temperatur wie die Färbeflotte haben, Wolle verträgt keine starken Temperaturunterschiede, sie neigt dann zum Verfilzen

Die gebeizte und gespülte Wolle also in die möglichst gleichtemperierte Flotte legen und langsam auf max. 90° C hochheizen, solange in der Flotte belassen bis die gewünschte Farbtiefe erreicht ist. Bei manchen Färbedrogen hat die Temperatur der Färbeflotte Auswirkungen auf die Farbe, welche erzielt wird!

Wir haben insgesamt drei Züge gefärbt, 1. Zug 2 Stränge, 2. Zug 2 Stränge und im 3. Zug 1 Strang. Die erzielten Farbtiefen waren recht nah beieinander, so viel Farbstoff war in der Flotte. Zuhause habe ich drei der Stränge weiter gefärbt. Zunächst eine Überfärbung mit Rainfarn und anschließend ein Abdunkeln mit Eisenessig (siehe weiter unten):

 

Im mittleren Bildteil zu sehen sind von links nach rechts:

  • Schilf pur 1. Zug
  • Schilf pur 3. Zug mit Eisenessig abgedunkelt
  • Schilf 2. Zug mit Rainfarn überfärbt und mit Eisenessig abgedunkelt
  • Schilf 1. Zug mit Rainfarn überfärbt
  • Schilf 2. Zug mit Rainfarn überfärbt
  • ein frischer weißer Wollstrank mit dem Rest aus der Rainfarnflotte gefärbt

5. Nachbehandlung

Anschließend sollte die Wolle am besten langsam von alleine abkühlen und dann erst ausgewaschen werden. Oder in einen anderen Behälter mit temperiertem Wasser geben, wenn man noch weiter in der Flotte färben will. Denn nach dem sogenannten „ersten Zug“können noch beliebige weitere folgen, solange noch Färbepartikel in der Flottte sind.

Wir haben insgesamt drei Züge gemacht und es war immer noch „Farbe übrig“. Die Wolle kann anschließend noch in ein saures Essigbad gegeben werden, da Wolle säureliebend ist.

6. Eisenessig oder Eisen-III-Kaltbeize

Über die Verwendung von Eisenessig oder Eisen-III-Kaltbeize hat man eine weitere Möglichkeit auf die Färbung Einfluss zu nehmen. Beide Varianten dunkeln die Farben ab. Die erste Möglichkeit besteht darin, direkt eine andere Beize zu verwenden, nämlich die Eisen-III-Kaltbeize. Die zweite Möglichkeit ist, zunächst auf Kaltbeize AL (Aluminium Kaltbeize) zu färben.

Die Wolle wird aus der Färbeflotte genommen, der Flotte wird nach Wunsch Eisenessig zugegeben, und die Wolle nochmals für solange eingelegt, bis die gewünschte Farbe erreicht ist. Allerdings verliert die Wolle etwas an Weichheit😩.

Der Eisenessig kann wie folgt hergestellt werden: Eine Handvoll Eisennägel (unbeschichtet) oder besser Stahlwolle in ein Schraubglas geben, 10 ml Essigessenz zugeben, mit klarem Wasser auffüllen und stehen lassen. Ist ein rostiger Niederschlag zu sehen, hat sich Eisen im Essigbad gelöst und der Eisenessig ist verwendbar.

 

Und hier die andere "Baustelle", das Färben mit Säurefarben:

 
links Agnes Flammenfärbung für ihr nächstes Bildgewebe

Säurefarben liegen zunächst in pulverisierter Form vor. Aus den drei Grundfarben (gelb, rot, blau) und einem Blau-Türkis hatte Marion schon die sogenannten Stammlösungen vorbereitet. 

Mit Pinseln und Spritzen bewaffnet, wurden die Farben auf die Fasern aufgebracht, in Folie eingewickelt, und anschließend im Dampfgarer fixiert. So ist eine gezielte Farbverteilung zu erreichen. 

Will man etwas mehr den Zufall mit ins Spiel bringen kann man auch direkt in einer sogenannten Topffärbung die Farbe aufbringen.


 
 
So wurde es nach und nach immer bunter. Garnstränge, Webketten und Kammzüge wanderten nacheinder in den Topf, bzw. Dampfgarer. Dann ging es in die Wäscheschleuder und ab auf die Leine! Säurefarben werden durch Hitze fixiert. Manche färben auch in der Mikrowelle; die darf dann allerdings nicht mehr für Lebensmittel eingesetzt werden.

Das Fixieren in der Mikrowelle geht zwar vermeintlich schneller, es passt jedoch auch nicht soviel Färbegut auf einmal hinein wie z.B. im Dampfgarer. Professionelle(re) Färber/innen benutzen wohl auch Färbewannen. Da geht natürlich noch viel mehr auf einmal hinein.

 

Wie heißt es doch so schön, viele Wege führen nach Rom! So gibt es auch viele Wege beim Färben mit Säurefarben. Ach ja, Säurefarben heißen sie, weil das Ganze nur im sauren Milieu funktioniert, also z.B. unter Zugabe von Essigessenz. Und Säurefarbe ist dann wohl auch nicht gleich  Säurefarbe. Je nach Anbieter werden die Farben unterschiedlich. Vor allem Rot ist nicht gleich Rot!

Wer mehr darüber wissen möchte: youtube zeigt einem auch hier die Welt:
Färben mit Säurefarben auf youtube

Oder in Buchform das bekannteste Standardwerk:
1000 Farben auf Wolle und Seide

Eines ist auf jeden Fall klar: Vorsicht ist geboten, Färben kann süchtig machen!

1 Kommentar:

Handweberin hat gesagt…

Liebe Sabine,
vielen Dank für deinen wirklich tollen Beitrag!!!