Theo(dora) Moorman war eine englische Weberin. Sie wurde 1907 in Leeds geboren und ist 1990 in England verstorben. Ein kurzer Blick auf ihren Lebenslauf:
1925 - 1928 Central School for Arts and Crafts in London, Webklasse Walter Taylor
1989 - 1930 Heal & Sons Ltd. London - Teppiche und Kissen- und Polsterbezüge
ab 1932 selbstständige Weberin, Hampstead Garden Suburb
2. Weltkrieg Ministerium für Luftfahrt - Entwicklung eines blickdichten Blendenverschlusses für Kameras
1943 - 1953 Council for the Encouragement of Music and the Arts - Organisation von Wanderausstellungen
Vermittlung von Kontakten zwischen KünstlerInnen und Öffentlichkeit
ab 1953 selbständige Weberin, zunächst in Leeds dann in Painswick, Gloucestershire
ab 1966 Mitglied in der Guild of Gloucestershire Craftsmen
1968 - 1982 Lehrreisen in die USA und Kanada, so wie durch das United Kingdom
1969 wird sie Vizepräsidentin der Association of Guilds of Weavers, Spinners and Dyers
1970 wird sie Chairman der Guild of Gloucestershire Craftsmen
1977 erhält sie den "MBE for services to weaving", vergleichbar dem Bundesverdienstkreuz
1985 wird der "Theo Moorman Charitable Trust for Weavers" gegründet
1987 in einer Ausstellung zu ihrem 80. Geburtstag in der Oxford Gallery, werden alle ihre Arbeiten verkauft
Ihre Arbeit für den "Council for the Encouragement of Music and the Arts" brachte auch sie selbst in Kontakt mit den Künsten. Ihr Verständis und ihre Wertschätzung für die Künste wuchsen und entwickelten sich weiter. Bis dahin war sie in ihrem Weberinnenleben damit beschäftigt gewesen Prodkute herzustellen wie Teppiche, Kissen- und Polstergewebe, Vorhänge und Stolen, also reine gebrauchsorientierte Gewebe. Nun richtete sie ihren Fokus neu aus, hin zum bildlichen Weben. In ihrem Buch "Weaving as an Art Form" berichtet sie von einer Ausstellung französischer Tapisserien im Victoria und Albert Museum im Jahr 1947, welche sie wohl sehr beeindruckt hat. Der Titel ihres Buches, "Weben als eine Form der Kunst" bringt ihr Selbstverständnis als Weberin auf den Punkt.
Wer selber schon einmal an einem klassischen Bildgewebe gearbeitet hat, weiß wie aufwändig diese Webtechnik ist. Das war ihr zu langsam. Es musste doch einen Weg geben frei auf der gesamten Fläche zu mustern, der weniger arbeits- und zeitintensiv war. Zwei Anforderungen stellte sie:
- Die eingelegten Farbflächen sollten durch eine Anbinde-Kette an ein Grundgewebe angebunden werden. Die Fäden dieser Kette mussten einerseits fein genug sein, damit sie kaum sichtbar sind, andererseits mussten sie stark genug sein um die Spannungen auszuhalten, denen sie ausgesetzt sein würden.
- Die Struktur des Grundgewebes musste so gestaltet sein, dass die Schüsse des Grundgewebes, die ja von einer Gewebeseite zur anderen durchgehend eingeschossen werden, unter den eingelegten Musterfäden liegen, so abgedeckt, dass sie nicht durch die Farbflächen durchscheinen und doch ein festes Grundgewebe bilden.
Sie experimentierte auf vielfältige Weise und fand so letztendlich zu der nach ihr benannten "Moorman-Technik". Sie selber war sich gar nicht sicher, ob sie wirklich etwas Neues entwickelt hatte und führte dabei evtl. archäologische Gewebe aus Peru oder auch skandinavische Webstudios an.
Auf der Seite von Eva Stossel gibt es einen Beitrag Inlay - Moorman Technique. Ganz am Ende des Beitrags steht eine Ergänzung aus 2018: Theo Moormans Inlay-Gewebe werden als Lampas-Gewebe angesehen.
Nun aber endlich zum "praktischen" Teil. Das Grundgewebe arbeitet in Leinwandbindung und wird auf den Schäften 1 und 2 eingezogen. Die Anbinde-Kettfäden arbeiten ebenfalls leinwandbindig und werden auf den Schäften 3 und 4 eingezogen. Die Stärke der Anbinde-Kettfäden gibt sie mit halber Stärke im Vergleich zu den Grund-Kettfäden an. Sie sehen im Buch jedoch noch wesentlich dünner aus. Gerda hat in ihren Geweben Nähgarn als Anbinde-Kettfäden benutzt.
Das Computerprogramm kann immer nur mit ganzen Schüssen arbeiten, so
dass die Musterfäden immer nur durchgehend dargestellt werden können:
In ihrem Buch beschreibt sie noch eine grundsätzliche Variation, bei der auch im Schuss ein zusätzlicher Faden in das Grundgewebe eingeschossen wird, sei es dass dieser eine andere Struktur oder auch einen leichten Farbkontrast zum Grundgewebe aufweist. Sie weist auf die unterschiedlichen Effekte hin, welche dadurch auftreten, benennt sie jedoch nicht näher:
Je nach verwendeten Materialien kann es sinnvoll sein, andere Verhältnisse zwischen der Anzahl Kettfäden für das Grundgewebe und der Anzahl Kettfäden für die Anbindekette zu wählen:
Hinsichtlich des Einlegens der Musterfäden beschreibt Theo Moorman drei unterschiedliche Arten:
- eingelegte Flächen, die isoliert stehen
- eingelegte Flächen, die sich zu einem Ganzen ergänzen
- eingelegte Flächen, die sich überlappen
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isoliert eingelegte Flächen, mitgebrachte Beispiele
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aufeinanderfolgende Flächen, so dass Gesamtflächen entstehen (Fotos von Theo-Moorman-Geweben, Nigel Morgan)
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Für den Fall, dass zwei oder mehr Musterfäden gleichzeitig eingelegt werden schlägt sie folgende Vorgehensweise vor, um ein gleichmäßiges Bild zu erzielen:
Sind die Anbinde-Kettfäden auf Schaft 3 gehoben, so werden die Musterfäden von rechts nach links eingelegt. Sie starten bzw. enden unter aufeinander folgenden gehobenen Anbindekettfäden.
Wenn die Musterffäden die Richtung wechseln und Schaft 4 gehoben ist, starten bzw. enden sie unter demselben gehobenen Anbindekettfaden. Siehe obere Zeichnung.
Werden sie von rechts nach links eingelegt, so beginnt man mit dem ganz linken Musterfaden, werden sie von links nach rechts eingelegt, so beginnt man mit dem ganz rechten Musterfaden.
Trennen diagonale oder kurvige Linien zwei Musterflächen, werden beide, oder auch mehrere, Musterfäden entsprechend überlappend eingelegt. Siehe untere Zeichnung.
In einem Youtube-Video habe ich noch eine andere Vorgehensweise gefunden:
The Weaving Workshop - Moorman InlayLeider können wir keine Beispiel-Fotos mit eingelegten Flächen zeigen, welche sich überlappen. Von Schacht gibt es ein Video dazu: Weaving with the Theo Moorman Inlay Technique. Auf der Seite von Schacht gibt es auch dieses Webprojekt zur Moorman-Technik: Stained glass wall-hanging. Dort kann man auch schön einen zeichnerischen Entwurf in Buntstiften sehen. Und auch hier kann man das Überlappen gut erkennen: Beispiel für überlappende Flächen.
Auf der Seite von Handwoven findet sich dieses Projekt, mit etwas anderen "Musterfäden" 😉:
Weave a memory.
Grundsätzlich neigt die Anbindekette dazu, mit der Zeit schlapper zu werden. Entweder hat man die Möglichkeit eines zweites Kettbaums, um dem entgegen zu wirken, oder man hängt die Bindekette mit Hilfe eines mit Gewichten beschwerten Stabes ab.
Gerda hat ihre Beispiele auf einem Webrahmen mit zwei Gatterkämmen gewebt, und sich dabei an die Anleitung aus dem Buch von Syne Mitchell gehalten (siehe unten). Hier gibt es eine ausführliche Anleitung (leider auf Englisch): Theo Moorman mit zwei Gatterkämmen.
Wie so oft mit Webtechniken, die aus dem englischen Sprachraum kommen, gibt es leider wenig Informationen auf Deutsch. Es ist natürlich möglich einiges aus Bildern und Webpatronen zu lesen, das funktioniert ja auch ohne Worte. Dann muss man nur noch wissen, ob ein schwarzes Kästchen in der Anbindung eine Hebung oder eine Senkung darstellen soll 😏.
Hier noch eine Liste mit möglichen Informationsquellen:
- Syne Mitchell
Weben - Das Standardwerk für den Gatterkamm-Webrahmen (erhältlich auf deutsch) - Karen Searle
Moorman Inlay Technique for Rigid Heddle Frame Looms (Download möglich)
- Theo Moorman
WEAVING AS AN ART FORM (erhältlich über den Buchhandel)
- Joyce Harter und Nadine Sanders
Weaving that sings - Variations on the Theo Moorman Technique
Theme and Variation - More Weaving that sings
So, das war es, auch für das Jahr 2023. Wie gut, dass nach dem WeberTreff auch vor dem WeberTreff ist. In 2024 geht es weiter, inzwischen in unser 15. Jahr! Wir wünschen allen einen friedlichen Advent, immer eine Kette auf dem Webstuhl, und vielleicht sehen wir uns ja mal!