Freitag, 5. August 2022

Pibiones - oder auch Perlweben, Noppenweben, Schlingenflor, Boutonné ....... 31. Juli 2022

Die einen lieben diese Technik, die anderen würden es nie im Leben freiwillig weben. Sie ist zugegebenermaßen zeitaufwändig und erfordert einiges feinmotorisches Geschick, dafür belohnt sie mit einer freien Gestaltung der Gewebefläche, unabhängig von der Schaftzahl.

Gerda gab uns zunächst eine kleine Einführung in das Thema:

"Perlweben, Noppenweben, Schlingenflor, Boutonné oder Pibiones, das sind die Bezeichnungen für ein und dieselbe Technik in verschiedenen Sprachen - Deutsch, Französich, Sardinisch - mit der über Jahrtausende hinweg Textilien geschmückt wurden. Wie Sara Bixler in dem Artikel in der "Handwoven, 09/10 2015" ausführt, wurden schon 2000 vor Christus in Ägypten Textilien in Leinwandbindung mit dieser Technik geschmückt.

In meiner Lehrzeit (ewig her) habe ich diese Technik von meiner Meisterin gelehrt bekommen, jedoch mit dem Hinweis, dass diese in der Werkstatt nicht gebraucht werden konnte, aber ich sollte es trotzdem lernen, genau wie das Teppichknüpfen. Leider existiert meine Arbeit von damals nicht mehr.

In manchen Museen sind wohl noch einige wenige Textilien mit dieser Art der Musterung erhalten, aber sie liegen dort sicher irgendwo in einem Depot. Es sind vorwiegend Kissen, Decken und auch Satteldecken; aber es wurden auch Röcke damit verziert."

Aber auch durchaus feinere Gewebe wurden mit dieser Technick gestaltet. Hier das wunderbare Beispiel einer Kinderjacke und -mütze, gewebt mit Muschelseide: https://muschelseide.ch/kinderjaeckchen-1/

Bei ihren Recherchen zum Thema ist sie neben der Handwoven in insgesamt 5 Büchern fündig geworden:

  • Ursula Kirchen, Schöpferisches Weben
  • Laila Lundell, Das große Webbuch
  • Clara Craeger, Weben - Ein schöpferisches Kunsthandwerk
  • Syne Mitchell, Weben - Das Standardwerk für den Gatterkamm-Webrahmen
  • Konrad Hahm, Ostpreußische Bauernteppiche
    wobei hier hauptsächlich aufwändiger Noppenbildungen beschrieben werden,
    er stellt jedoch auch die "Noppenform aus Italien" in einer kleinen Zeichnung dar

Einen Webvorschlag aus dem Buch von Syne Mitchell hat Gerda dann für uns auf einem Webrahmen eingerichtet. Zwei fertige Muster hatte sie auch schon dabei:

Gerdas Anmerkungen zum grünen Gewebe (für einen Waschlappen): 

Nach dem Einrichten wird zunächst ein ca. 5 cm hoher Saum gewebt. Danach wird ein Schuss eingelegt und das Fach offen gehalten. Mit einer Stricknadel werden nun Noppen oder Schlingen aufgenommen. dies kann mit den Fingern geschehen oder mit Hilfe einer Häkelnadel. Nach jedem Musterschuss (Noppenreihe) wurden zwei Grundschüsse gewebt, dadurch sind die Noppen etwas versetzt im Gewebe. An jeder Webkante habe ich einen Rand in Leinwandbindung stehen gelassen. Nachdem ein Quadrat in Noppentechnik gewebt ist, wird wieder ein Saum von ca. 5 am gewebt.

Für das rote Mustergewebe wurden 2 Schützen benötigt:

Die zweite Arbeit ist ein Mustertuch auf der gleichen Kette, aber in einer anderen Zusammensetzung für den Schuß: zum einen für den Grundschuss das gleiche Garn wie in der Kette und für den Musterschuss ein Garn aus 70% Wolle und 30% Nesselfaser. Für diese Arbeit brauchte ich etwas stärkere Stricknadeln, die Noppen wurden dadurch auch fülliger. Hier wurden nach jedem Musterschuss 3 Grundschüsse gewebt, so dass die Noppen nun übereinander stehen und nicht mehr versetzt.

Und hier geht es zu einem Bericht von Syne Mitchell selber: Syne Mitchell auf www.weavezine.com

Bevor es an die praktische Umsetzung ging, haben wir uns zunächst noch einige Videos und Bilder angeschaut. A Pibiones ist ja eine Webtechnik aus Sardinien, und es wäre von Vorteil Italienisch zu können. Aber wir Weber/innen verstehen ja schon vieles über das reine Zuschauen:

 
 
 
 
 
 
 

Pibione ist übrigens ein sardinisches Wort für kleine Weintraube. Weben auf Sardinien umfasst natürlich viel mehr als die Technik Pibiones. Kelly Manula Koza ist eine Amerikanerin, die sehr verbunden ist mit dem traditionellen Handweben auf Sardinien. Auf ihrer Seite findet ihr reichlich Informationen (natürlich auf Englisch): https://sardinianarts.com/

Bei den Vorbereitungen zum Thema bin ich auf ihre Seite gestoßen und auf die Ankündigung zu einer Online-Präsentation: Sardinian Handwoven Textiles - Exploring a nearly lost art. Natürlich habe ich mich angemeldet. Beginn des Zoom-Meetings sollte sein um 06:00 pm. Wie war das noch mal mit am und pm? 06:00 pm entspricht 18:00 Uhr.  Pünktlich saß ich an unserem Laptop - und nicht passierte. Was soll ich sagen, Zeitverschiebung! 06:00 pm in der Nähe von San Franciso heißt 03:00 Uhr nachts mitteleuropäische Zeit. Zu meinem Glück fand das Meeting in der kommenden Nacht statt, aber 03:00 Uhr war schon eine Herausforderung. Auf ihrer Webseite kann man sich auch einen Film ansehen, den sie selber erstell hat. Im Mittelpunkt steht die kleine Familienweberei von Isabella Frongia: I Want to Weave the Weft of Time - auf vimeo  

Nachfolgend die Bilder von meinen ersten Arbeiten mit Pibiones, es muss so um die Osterzeit herum gewesen sein 😉:

 
Grundsätzlich finden zwei Bindungen Anwendung: Leinwandbindung oder der gleichseitige Köper 2/2. Das Beispiel obern rechts ist in Leinwand gearbeitet, die drei anderen Beispiel in Köper. Bei genauer Betrachtung kann man sehen, dass ich oben rechts verschiedene Anzahlen von Zwischenschüssen ausprobiert habe. Bei einer ungeraden Zahl ordnen sich die möglichen Pibiones übereinander an, bei einer geraden Zahl versetzt zueinander. Beim Aufreihen auf den Stab habe ich in den Pibiones-Bereichen jeweils eine Lücken zwiscchen den einzelnen Pibiones gelassen. Es war übrigens ein einfacher etwas stärkerer Schaschlikstab. Bei der versetzten Anordnung wird der Flor nicht so dicht.

Kette und Zwischenschüsse sind in meinen Beispielen eher dünn (Baumwolle und Cottolin), und die Musterschüsse, welche die Pibiones bilden (übrigens "tramone" genannt) in dickerer Wolle - teilweise zweifädig genommen, da ich gar nicht mehr so viel dickere Wolle habe. Wie immer ergibt sich die Struktur des fertigen Gewebes aus vielen Bedingungen: die gewählten Garnstärken, die verwendeten Fadendichten in Kette und Schuss, ... Das richtige Verhältnis zu finden gehört zu der Entwicklung eines stimmigen Gewebes dazu, ist auch hier Teil des Handwerks.

Unten links (auf dem Bild oben) seht ihr die erste Probe, gewebt mit Köper 2/2. Sie wurde nur mit einer Farbe (einem Musterschuss in Braun) gearbeitet, und nur die beiden Hasen wurden mit Pibiones aus der Gewebefläche hervorgehoben. Unten rechts dann die zweite Probe, jetzt mit zwei Farben (zwei Musterschüssen in schwarz und weiß) gearbeitet, die gesamte Fläche ist in Pibiones gearbeitet. In der linken Probe sind die Hasen etwas gedrungener, während sie in der rechten Probe von den Proportionen besser getroffen sind. Durch die Verwendung von zwei Farben beim Musterschuss, also auch zwei Fäden, hat dieser mehr Höhe im Gewebe und streckt das Ganze.
 
Die vierte Probe, oben links, wurde ebenfalls mit zwei Farben im Musterschuss gearbeitet: Schwarz durchgehend und dazu ein Farbwechsel der zweiten Farbe in der Mitte des Gewebes. Beim Treff selber haben wir nur den Farbwechsel nachvollzogen. Es brauchte hierfür schon drei Schützen:


Das Schema der Abfolge, wie wir die Schüsse eingetragen haben hieß bei uns "erst rein, dann raus".
 
"Rein" meint: von außen ins Gewebe hinein bis zum "Wendepunkt" - zum Beispiel mit Petrol von links außen bis zum Wendepunkt hinein (1 rein). "Raus" meint dementsprechend: vom "Wendepunkt" innerhalb des Gewebes bis hinaus aus dem Gewebe - dann mit Dunkelrot vom Wendepunkt nach rechts außen hinaus (1 raus).
 
Werden dabei noch Pibiones gearbeitet, hat es für uns Sinn gemacht, zunächst eine Farbe zu arbeiten (im Beispiel Petrol) und dann erst die andere. Für das Auffädeln der Pibiones muss der Faden ja leicht nachrutschen können. In der folgenden Collage kann man oben rechts sehen, dass der dunkelrote Faden den petrolfarbenen einklemmt, was das Auffädeln sehr behindern würde.

Wenn ich jetzt so darüber nachdenke, müsste es bei "erst raus, dann rein" nicht einklemmen. Probiert es einfach aus!

Und hier noch ein weiteres Beispiel, komplexer geht immer:

Um den Rahmen arbeiten zu können, musste ich rechts einen zusätzlichen schwarzen Faden einfügen (im Schema der türkise Faden). Und hier war die Abfolge tatsächlich "erst raus, im mittleren Bereich rüber, dann rein". Diese Probe wurde mit jeweils einem Leinwandzwischenschuss gearbeitet.  Die Umsetzung ist für mich nicht stimmig, da die Blüten in der Vorlage nicht so flach waren. Für die roten Blütenmitten wurde jeweils ein extra Faden eingefügt.

Interessantes und viele Gewebebeispiele habe ich auf diesen Seiten gefunden:

www.sardegnaartigianato.com

www.mariantoniaurru.com 

Hier tatsächlich ein Bericht von einem Besuch der Textilwerkstätten in Samugheo auf Deutsch: www.stilesardo.com

Nicht alles was aussieht wie Pibiones sind auch Pibiones. Dafür geht es nach Südfrankreich:
www.manufacturecogolin.com    und hier ein Video: auf www.archiexpo.it
Dort wird mit alten Jaquardwebstühlen gearbeitet. Die "Wolle" wird als zweites System mit in die Kette genommen. Das wäre doch etwas für unsere Waschlappen! Dafür müssten doch wenige Schäfte ausreichen. Ja, aber... Es bräuchte einen zweiten Kettbaum oder eine andere Einrichtung, die es ermöglicht, dass die Fäden der beiden Kettsysteme unterschiedlich ablaufen können,  so wie z.B. beim Seersucker auch.

Matthias hatte aus seiner Zeit bei Frau Meckenstock sogenannte Schmierkissen dabei, welche  auf der "dicken Berta" gewebt worden sind. Unten rechts stehen die beiden an den Kettspulen der Baumwollfäden für das Grundgewebe. Oben links geht es wohl um das Abbremsen der Kettspulen mit den Wollfäden für den Flor und die langen Saugfäden, welche zusätzlich noch nach unten aus dem Gewebe gearbeitet werden mussten. Leider ist dies Vergangenheit, denn seit Frau Meckenstock vor einigen Jahren verstorben ist, schlummert die Weberei unter Denkmalschutz den Dornröschenschlaf. Falls in hundert Jahren ein Prinz vorbeikommen sollte, wird wohl nicht mehr viel übrig sein von der Weberei.

Hier geht es zu dem Bericht über einen Besuch der Weberei Meckenstock in 2014: Zeitreise

Nun geht es noch von Sardinien über Südfrankreich und über den Atlantik nach Nordamerika! Gerda hatte ja bei ihren Recherchen in der Handwoven 09/10 2015 einen Artikel von Sara Bixler gefunden: Boutonné - ein akadisches Erbe. Akadien ist ein historisches Gebiet und umfasste Teile von Kanada und Nordamerika: Akadien auf wikipedia

Und ihr ahnt es bestimmt schon, ich habe Kontakt zu ihr aufgenommen und sie hat mir freundlicherweise einige Fotos zur Verfügung gestellt:


Die Fotos stammen von einem Besuch im "National Museum of the American Coverlet". Ein Coverlet ist ein Bettüberwurf oder auch Tagesdecke. Die Weberin dieses Coverlets war Hannah Leathers Wilson. Sie hat insgesamt 184 solcher Coverlets gewebt. 28 Coverlets sind heute bekannt, die übrigen 156 sind verschollen. Der Name auf dem Rand zeigt an für wen sie die Arbeit ausgeführt hat, no.113 heißt es war das 113. Coverlet (sie hat alle ihre Arbeiten durchnummeriert) und zum Schluss das Jahr der Herstellung. Diese Coverlets wurden aus drei separat gewebten Bahnen zusammengefügt. Rechts und links neben dem Schriftzug kann man die Nahtlinien mehr ahnen als sehen. Kaum zu glauben, dass auf der gesamten Gewebelänge so gut wie kein Versatz zu sein scheint. In 2016 wurde Hannah Wilson als "celebrated weaver of the year" posthum geehrt.

Fünf Coverlets von Hannah Wilson befinden sich im "National Museum of the American Coverlet". Dort findet auch jedes Jahr ein sogenanntes "Coverlet College" statt. Im Newsletter von 2016 kann man auf Seite 15 das Coverlet in seiner Ganzheit betrachten: Newsletter 2016 
 
Hier geht es zu allen Newslettern des Museums, und natürlich auch zur Webseite des Museums selber: Newsletter Übersicht
 
Kaum zu glauben, sage und schreibe 21 Links finden sich in diesem Beitrag. Aber nun ist es wirklich genug.
 
Weben verbindet, nicht nur Fäden, sondern auch Menschen!

Samstag, 4. Juni 2022

Von der Doppelbindung zum Schussdouble - 29. Mai 2022

Beim letzten Treff haben wir uns mit schussverstärkten Geweben beschäftigt, nicht zu verwechseln mit Doppelgeweben. Während bei Doppelgeweben gleichzeitig zwei übereinanderliegende Gewebeflächen gewebt werden, entsteht bei schussverstärkten Geweben ein einflächiges Gewebe. Es gibt ein Kettsystem und zwei Schusssysteme, d.h. es wird mit zwei Schützen/Schiffchen gearbeitet.

Eine Art von schussverstärktem Gewebe ist die Doppelbindung. Schon mit nur vier Schäften kann ein effektvolles Gewebe entstehen. In der Kette wird abwechselnd partieweise eingezogen, durch die Verwendung von zwei Schusssystemen entsteht eine rechteckige Musterung auf Gewebeober- und -unterseite; sei es durch farbliche oder strukturelle Unterschiede der Schussgarne. 

Hier eine Möglichkeit mit einem Kettrapport über vier Kettfäden, wobei auf den Partiewechsel zu achten ist. Dieser erfolgt dann nämlich bereits nach dem dritten Kettfaden des Rapports.
Partie 1 = Einzug auf den Schäften: 3-4-3-1 und Partie 2 = Einzug auf den Schäften: 2-1-2-4

Durch den Partiewechsel flottiert jeder Schuss in der einen Partie auf der Gewebeoberseite über drei Kettfäden und in der anderen Partie auf der Gewebeunterseite. Flottiert er über drei auf der Gewebeoberseite arbeitet er als Oberschuss, flottiert er auf der Gewebeunterseite über drei arbeitet er als Unterschuss. Die Anbindungen des Unterschusses sollen durch die Dreier-Flottierungen des Oberschusses möglichst weitgehend abgedeckt werden. In der Fläche schiebt sich in der linken Partie der Oberschuss jeweils über den vorherigen Unterschuss. In der rechten Partie schiebt sich der Unterschuss unter den jeweils vorhergegangenen Oberschuss. In Schussrichtung erfolgt der "Partiewechsel" durch Umkehrung der Farbfolge. Die Dreier-Flottierungen ermöglichen eine optimale Abdeckung der Anbindung des Unterschusses. Die Gewebeunterseite zeigt jeweils das "Negativ" der Gewebeoberseite.,
 
Der Einfachheit halber spreche ich hier von Anbindungen des Unterschusses. Es entspricht dem Gefühl, etwas von unten an ein oberes anzubinden. Webtechnisch geschieht dies durch eine Senkungen. Zusätzliche Senkungen werden in der Webtechnik als Abbindungen bezeichnet.
 
Hier einige mitgebrachte Beispiele, in der Mitte ein Teppichgewebe von Gerda,
rechts und links Tischsets von Agnes, mit Blumen-Inspirationen aus ihrem Garten:
 

 

Bei ihrer Vorbereitung des Themas hat Gerda noch einen zweiten Einzug über vier Schäfte gefunden. Hier entstehen jeweils Zweier-Flottierungen, welche die Anbindung des Unterschusses abdecken. Und auch hier Beispiele für die Umsetzung. In der linken Partie schiebt sich der Unterschuss unter den vorherigen Oberschuss, in der rechten Partie schiebt sich der Oberschuss über den vorherigen Unterschuss:
 

 
In einer Ausgabe des Vävmagazine aus 02.1996 hat Gerda dann auch noch eine Variante mit drei Schusssystemen entdeckt. Die obere Variante benötigt 9 Tritte, die untere Variante kommt mit 6 Tritten aus, wobei jeweils zwei Tritte gleichzeitig getreten werden müssen; die grau hinterlegten Schäfte werden nicht angebunden. D.h. die Tritte 1-3 steuern nur die Schäte 4-6 an und die Tritte 4-6 die Schäfte 1-3 (Tritte von links nach rechts gezählt, Schäfte von unten nach oben):


 
Und vielleicht ahnt es schon die/der ein oder andere, hier gibt es eine eindeutige Gewebeoberseite. Da wir kein Gewebebeispiel dafür hatten hier also nur ein Bild über das Webprogramm.
Mit drei Partien und damit auch drei Farben oder Strukturen lässt sich natürlich schon viel mehr spielen.


Wo hört die Doppelbindung auf und wo fängt das Schussdouble an? Für uns bedeutet Schussdouble, dass beide Gewebeseiten jeweils eine "komplette Bindung" aufweisen. Schon der Schussköper K1/2 bietet sich da an. Bei einem  "normalen" Schussköper (linke Seite, oben) zeigt die Unterseite den entsprechenden Kettköper (linke Seite, unten). Beim Schussdouble zeigen beide Gewebeseiten den Schussköper, jeweils mit umgekehrter Gratrichtung (rechte Seite, oben: pinke Oberschüsse flottieren lang auf der Gewebeoberseite; rechte Seite, unten: grüne Unterschüsse flottieren lang auf der Gewebeunterseite). Jeder Oberschuss kann sich sowohl über den vorhergehenden, als auch den nachfolgenden Unterschuss schieben:


Und hier ein Schussdouble im Schussköper K1/2 mit partieweisem Einzug
(links Gewebeoberseite, rechts Gewebeunterseite):
 

Am Beispiel des Schussköper K1/3 als Ausgangsbindung schauen wir uns die Entwicklung eines Schussdoubles etwas näher an. Ganz links sind nur die Oberschüsse eingetragen, der Platz für die Unterschüsse ist jeweils frei gelassen. Die Gewebeunterseite soll ebenfalls einen Schussköper K1/3 zeigen, wird also durch Unterschüsse verstärkt, die jeweils eine Anbindung im Rapport aufweisen müssen. Die Anbindungen erscheinen auf der Oberseite als Einer-Schussflottierungen. Diese müssen dort gesetzt werden, wo darüber und darunter auch in den Oberschüssen Schussflottierungen vorliegen, damit diese längeren Flottierungen die Einer-Flottierungen gut abdecken können. Erika Arndt weist darauf  hin, dass wenn die Grundbindung einen Grat hat, die Unterschüsse (von der Gewebeoberseite aus betrachtet) daher denselben Grat aufweisen müssen, damit dies möglich ist. Für den Schussköper K1/3 gibt es zwei Möglichkeiten die Anbindungen zu setzen. Oberhalb und unterhalb der roten, bzw. blauen Punkte liegen jeweils auch Schussflottierungen:


Hier die Umsetzung der einen Möglichkeit. Jeder Oberschuss kann sich sowohl über den vorhergehenden, als auch den nachfolgenden Unterschuss schieben:


Und hier die Umsetzung der anderen Möglichkeit. Jeder Oberschuss kann sich sowohl über den vorhergehenden, als auch den nachfolgenden Unterschuss schieben:


Um es noch besser zu veranschaulichen greifen wir zum Webgerät aus Papier!
Im nachfolgenden Video habe ich spontan den folgenden Ausschnitt mit den Papierstreifen "gewebt":



Und hier das angkündigte Video:


Das ist wie immer nur ein kleiner Einblick in das Thema. Gewebeoberseite und Gewebeunterseite können auch unterschiedliche Bindungen aufweisen. Geeignet sind schussseitige bis gleichseitige Bindungen. Man muss halt schauen wie es passt. In den Beispielen in diesem Beitrag wechseln sich Ober- und Unterschüsse immer 1:1 ab, das bedeutet, dass bei jedem Schuss der Schütze gewechselt werden muss. Das ist die aufwändigste aber auch gleichmäßigste Möglichkeit. Denkbar/machbar wäre auch 2:2, also immer 2x Oberschuss, 2x Unterschuss.

Bei der Verwendung von unterschiedlichen Garnstärken kann es auch zu anderen Verstärkungsverhältnissen, wie z.B. 1:2 kommen, 1 dicker Oberschuss wird gefolgt von 2 dünneren Unterschüssen. ...

So ein Papp-Webgerät ist relativ schnell gebaut und  bringt sehr viel für das Verständnis der Bindungen. Ich habe jedenfalls ziemlich viel damit ausprobiert.

Gerne verwendet wird auch der Schusskreuzköper X-K1/3:

Betrachtet man die Partie unten rechts, so sieht man, dass sich der erste und jeder folgende "ungerade" grüne Oberschuss sowohl über den vorhergehenden als auch nachfolgenden Unterschuss schieben kann. Der zweite und jeder folgende "gerade" grüne Oberschuss kann sich nur über den jeweils nachfolgenden Unterschuss schieben. Ich habe es mit meinem Papp-Webgerät ausprobiert und wenn man sich etwas "eingeschaut" hat, dann kann man es auch so sehen.

Hier gibt es wieder mitgebrachte Beispiele. Ein Föttches-Kissen von Sabine
und die Gewebeprobe von Ute für eine Wolldecke, bei der eine Seite im Webstuhl aufgerauht wurde:


Und natürlich gab es auch dieses Mal wieder noch das ein oder andere zum Thema Weben. Beispielhaft hier Schals in Deflected Double, wie richtet man einen Brettchenwebstuhl ein, die Möglichkeit eine Doppelbindung praktisch auszuprobieren ...


Und ganz zum Schluss, versprochen dann ist wirklich Schluss, hier noch ein Nachtrag zu einem Besuch bei der Polten GmbH in 42277 Wuppertal, Rathenaustr. 57a, 0202 510 03. Herr Polten hatte sich extra für uns Zeit genommen und war ausgesprochen geduldig mit uns. Hauptsächlich Baumwollgarne in Nm 34/2 und Nm 20/2 in mercerisiert und nicht mercerisiert wanderten in die Kisten und anschließend mit in die Webstuben. Über Langeweile werden wir uns wohl in nächster Zeit nicht beklagen können. Vor einem Besuch ist auf jeden Fall eine Terminabsprache zu empfehlen. Am besten abgezähltes Geld mitbringen😉. Weber/innen neigen schon mal zum Garnrausch!


Sonntag, 3. April 2022

Rosengang, zum Zweiten - 27. März 2022

Kaum zu glauben, dass es nun schon fast 8 Jahre her waren, dass Rosengang Thema im WeberTreff war: klick!

Rosengang verbindet man sofort mit Schweden. Da war es nur naheliegend den Blick in das Buch von Ulla Cyrus-Zetterström, Manual of Swedish Handweaving, zu werfen. Und siehe da, das Verständnis von vor 8 Jahren wurde etwas relativiert.

Sie unterteilt grundsätzlich in zwei verschiedene Arten von Rosengang:
"ordinary rosepath" und "bound rosepath".

 

"Ordinary rosepath" wird im Deutschen als Rosengang mit Gegenschuss oder auch fester Rosengang bezeichnet.

Wir hatten zwar einen Klick-Webstuhl mit einer kleinen Restkette zum Ausprobieren dabei, haben jedoch leider versäumt, ein ausreichend großes Stück als Beispiel zu weben. Wie gut, dass es vor Jahren den Fadenwechsel gab, eine Online-Austausch-Gruppe von WeberInnen. Petra Schlimme hat erlaubt, dass ich ihr Gewebe von damals zur Anschauung verwenden darf:


Diese Rosengang-Variante erfordert eine relativ weite Kettstellung, jeweil zwei Schüsse schieben sich wie zu einer Schusslinie zusammen und überdecken die Kettfäden vollständig.

In Petras Beispiel gibt einen Hintergrund in Orange, und ein Muster in Magenta, welches sich aus dem Grund hervorhebt. Will man im Vorhinein ein Muster entwerfen, kann man zu folgendem Trick greifen:
In einer Art vereinfachten Patrone (unten rechts im obigen Bild) werden nur die Musterschüsse in Magenta in der Trittfolge dargestellt. Die Gegenschüsse für den orangenen Hintergrund werden durch die "Kettfäden" simuliert. Links könnt ihr die komplette Patrone sehen, so wie tatsächlich gewebt wird. In der Mitte seht ihr das fertige Gewebe und oben rechts die Geweberückseite.

Bei relativ weiter Kettstellung und Verwendung feiner Schussfäden musste Petra jedes Schusspaar (ein Schusspaar besteht aus magentafarbenem Musterschuss und orangefarbenen Gegeschuss) noch 3x wiederholen, um auf die gewünschte Höhe zu kommen. Die Patrone links wäre also eigentlich 4x so hoch, was dann das Bild gesprengt hätte. Wie immer bestimmen die verwendeten Garne das Spiel am Webstuhl, wenn man das so sagen kann.

Das Charakterische für beide Rosengangarten ist der V.V - Einzug. Dieser kann auch über mehr als vier Schäfte erfolgen. In der Anbindung findet sich jeweils ein gleichseitiger Köper, also K2/2, K3/3 oder K4/4. Wird über 8 Schäfte zum Beispiel ein K5/3 in der Anbindung verwendet, wird im Buch von einer Rosengang-Variation gesprochen.

Tauscht man Kett- und Schussrichtung kommt man zum "vertical rosepath", oder auch Rosengang in Kettrichtung.

Vorteil: es muss nur mit einem Schützen gearbeitet werden.
Nachteil: das "Muster" ist durch die Kette festgelegt.




Das Schöne  am Rosengang mit Gegenschuss ist, dass beide Seiten ein schönes Gewebebild zeigen. 

Ganz anders beim "bound rosepath", beim gebundenen Rosengang. Hier gibt es eine eindeutige Gewebevorderseite und eine Rückseite, wie man unten links und rechts sehen kann:

Auch hier braucht es eine weite Kettstellung, da sich noch mehr Schüsse zu einer Schusslinie zusammen schieben müssen. Und auch hier wird die Kette komplett durch die Schüsse abgedeckt. Anders als beim Rosengang mit Gegenschuss wird beim gebundenen Rosengang der jeweilige elementare Kett-Grundköper angebunden. Unten ein Beispiel über 5 Schäfte, in der Anbindung also der Kettköper K1/4. Das Bild oben rechts deutet an, wie sich die Schüsse zusammenschieben. Leider konnte ich das Gewebebild nicht besser simulieren. Falls jemand eine Idee bzgl. Weavepoint hat, bin ich froh über jeden Hinweis.

Der Entwurf für einen gebundenen Rosengang muss immer spiegelbildlich gestaltet werden. Bei 5 Schäften steht für das Motiv eine Breite von 9 Kästchen (5+4) zur Verfügung. Bei 4 Schäften wären es 7 Kästchen (4+3). Eingezogen wird also im V.V -Einzug, die Trittfolge geht gerade über 5 Tritte. Fehlt nur noch die Farbfolge der Schüsse. Diese gibt der Entwurf vor. 

Man betrachtet den Bereich zwischen den beiden senkrechten schwarzen Linien: zeilenweise von unten nach oben, innerhalb der Zeile von links nach rechts:
Die erste Zeile ergibt also die Farbfolge: weiß, weiß, grün, grün, grün.
Die zweite Zeile die Farbfolge: weiß, grün, grün, grün, grün

Das wäre es auch schon mit den "echten" Rosengang-Bindungen nach Ulla Cyrus-Zetterström. Damit wird der Rosengang mit Leinwandzwischenschuss zu einer Rosengang-Variante 😉:


Im Beispiel oben ist der Musterschuss deutlich dicker als die Kett- und Schussfäden des Leinwandgrundes. In der Anbindung wurden noch zwei zusätzliche Ketthebungen (rot markiert) zum gleichseitigen K3/3  hinzugefügt.

 

Hier noch einige Eindrücke vom Treffen. Marion probierte sich am gebundenen Rosengang und wir sind schon gespannt auf ihre eigenen Umsetzungen. Am Rande des Treffens hatte sich noch der ein oder andere Wichtel mit Gerda eingeschlichen:

 

Da einige von uns nicht nur weben sondern auch noch spinnen, gab es auch noch Selbstgesponnenes im Schuss anzuschauen: eine Decke von Hans-Georg in Rosengangeinzug und -trittfolge und von Agnes eine Weste in Leinwandbindung. Nach einigen Versuchen mit anderen Bindungen ist sie zur "einfachen" Leinwandbindung gewechselt, mit welcher der Farbverlauf des Schussgarns einfach am besten zur Geltung gekommen ist. Auch beim Weben ist weniger oft mehr:

 

Beinahe hätte ich noch Mechthilds Beitrag zum Thema des vorherigen Treffs vergessen, Fadendichten. Bei einem Urlaub in Schweden haben sie die Lundins Vävsketfabrik (leider nur auf   Schwedisch) in der Nähe von Boras besucht welche Webriete herstellt. Aus einem Behälter mit Reststücken konnten sie sich mitnehmen, was sie wollten. So entstand dieses Webstück:

 

Variable Webriete für ihre Webgeräte bieten die Firmen Ashford (klick) und Schacht (klick) an. Auch das Fächerwebblatt ist vielen bekannt. Damit zu weben scheint gar nicht so einfach zu sein. Suchworte im weltweiten Netz sind auch: fan reed und ondulé reed. Richtig zufriedenstellende Beiträge konnte ich jedoch nicht finden.

In Estland hat die Textilkünstlerin Kadi Pajupuu 2016 das RailReed entwickelt. Auf der Seite https://www.railreed.ee/en findet man umfangreiche Information dazu.

Es gibt doch immer wieder Neues zu entdecken.

Bis zum nächsten mal!

Montag, 7. März 2022

Fadendichten - 30. Januar 2022

Am 30. Januar 2022 fand sich ein kleiner Kreis von Webbegeisterten in Mettmann zum 1. Webertreff in diesem Jahr. Das Thema war: „Fadendichte in Kette und Schuß - wie beeinflussen sie die fertigen Gewebe ?! „


Da jeder etwas mit gebracht hatte zum Betrachten und Befühlen, hatten wir viel zum Diskutieren. Sabine konnte da aus dem Vollen schöpfen und uns viele verschiedene Muster zeigen, die in ihrer Weberausbildung entstanden sind, unbehandelt und wie sie nach der Behandlung aussehen oder auch wirken. Jedes Material verhält sich in der Nachbehandlung anders, auch das ist zu beachten wenn ein Gewebe geplant wird.

Das Interesse war jedenfalls sehr groß. Wie immer gab es von allen für alle ein kleines feines Büfett zur Mittagszeit. Zum Schluß haben wir noch über das Programm für dieses Jahr beraten. Das Ergebnis ist im Blog unter Termine 2022 nachzulesen.
 
Auf das nächste Treffen am 27.März 2022 freue ich mich schon. Dann geht es rund um die Bindung Rosengang.
Gerda

Mittwoch, 24. November 2021

Stubenitsky Code 1:2 - 21. November 2021

Es gibt dieses Mal zwar keine Bilder vom Treffen, dafür aber einen Einblick in den Stubenitsky Code!
Marian Stubenitsky ist eine Weberin in den Niederlanden. Hier der Link zu ihrer Website: weefschool - Marian Stubenitsky

Wir haben uns mit dem Code 1:2 beschäftigt, bei dem die beiden Bindungen Köper 1/2 und Panama 2/1 miteinander „spielen“. Beide Bindungen, sowohl der  Köper als auch der  Panama, sind mit dem gleichen Einzug und der gleichen Trittfolge zu weben. Für den Panama müssen zwei weitere Hebungen angebunden werden.


Die "Spielwiese" wird von drei auf vier Schäfte erweitert:

 

Schaft 1 bekommt beim Stubenitsky-Code eine Sonderrolle, er arbeitet als Bindungsschaft, „tie shaft“. Es handelt sich also um Gewebe mit zwei Kettsystemen, einem Bindungsschaft und weiteren Musterschäften. Vor allen Dingen bei mehr als vier Schäften wird diese Betrachtungsweise offensichtlicher. Schaft 1 wird durchgehend mit jedem dritten Kettfaden belegt, abwechselnd mit zwei Kettfäden, die entweder auf 2 und 3, oder auf 3 und 4 eingezogen werden. Der Stubenitsky-Code bezeichnet das Verhältnis vom Bindungskettfaden (immer nur einer) zu den Muster-Kettfäden, in diesem Fall lautet der Code also 1:2. 
 
Und so sieht das Spiel aus. Zwei zusätzliche Hebungen mischen das Ganze auf. In jeweils zwei Partien sind die „reinen“ Bindungen (Köper und Panama) zu sehen, in den beiden anderen Partien jeweils eine Bindung, die sozusagen zwischen den beiden Bindungen liegt. Die beiden rot markierten zusätzlichen Hebungen zeigen, welche Partie sie jeweils vom Köper in einen Panama umwandeln:

 
Beispielhaft oben links: Die beiden zusätzlichen Hebungen betreffen die Tritte 2 und 3. Diese werden in der unteren Trittpartie genutzt. Gleichzeitig betreffen sie die Schäfte 2 und 3. In der unteren Trittpartie betrifft dies die linke Partie. Dort ist also der Panama zu sehen. Es spielen also jeweils 4 unterschiedliche Bindungen mit. 

Werden drei zusätzliche Hebungen angebunden, so ergibt sich jeweils eine reine Tritt- oder Einzugspartie im Panama und eine „Mischpartie“:

 
Interessant ist ein Gewebe, in dem sozusagen Fenster erscheinen. Links ein klassisches Partiengewebe, welches für jede Einzugspartie 3 separate Schäfte benötigt und für jede Trittpartie 3 separate Tritte: also insgesamt 6 Schäfte und 6 Tritte. Im „Fenster“ erscheint ein figurierter K 1/2, welcher ganz „normal“ über den Einzug gestaltet werden kann. Rechts das Ganze nach Stubenitsky. Jeder dritte Kettfaden ist auf Schaft 1 eingezogen. Abweichend wird in den das „Fenster“ umgebenden Partien nicht auf 3 und 4 eingezogen, sondern nur auf Schaft 4, der ja in der mittleren Partie nicht angesteuert wird. Das gleiche gilt für die Trittpartie.  


Was in den Fenstern so ausschaut wie ein normaler figurierter Köper kann auch vorbereitend auf 8 Schäfte anders betrachtet werden:

Links erfolgt der Einzug auf den Musterschäften immer gerader Schaft (g), ungerader Schaft (u):
2-3, 2-3, 2-3, 2-3, 4-3, 4-3, 4-3, 4-3

In der Mitte: ein Wechsel von „g-u“ auf „u-g“ bewirkt einen Gratwechsel:
2-3, 2-3, 2-3, 2-3, 3-4, 3-4, 3-4, 3-4

Gleiches gilt für die Trittfolge, siehe rechtes Beispiel. Für den Einzug oben rechts im „Fensterbereich“ ergibt sich nach 3x „g-u“ ein Wechsel auf 3x „u-g“: 2-3, 2-3, 2-3, 3-2, 3-2, 3-2




Mit 8 Schäften kann das eigentliche Spiel beginnen.

Bei 8 Schäften sind 6 verschiedene Partien möglich; das gilt für den Einzug und die Trittfolge.

Die Reihenfolge „g-u“ wird im Beispiel streng eingehalten, es gibt somit keinen Gratwechsel:
2-3, 4-3, 4-5, 6-5, 6-7, 8-7

 

 

 

Das Spiel der beiden Bindungen auf 8 Schäften und mehr entwickelt sich eher großflächig. Mit Hilfe einer Bildpatrone und natürlich mittels eines Computerprogramms können wir solche Gewebe gut planen. Alles beginnt mit einer Linie! 

 
Die sechs Schäfte der Bildpatrone (BP) stehen für die sechs möglichen Einzugspartien in der tatsächlichen Gewebepatrone :

BP 1: Schäfte 2 und 3
BP 2: Schäfte 4 und 3
BP 3: Schäfte 4 und 5
BP 4: Schäfte 6 und 5
BP 5: Schäfte 6 und 7
BP 6: Schäfte 8 und 7

Gleiches gilt für die Trittfolge.

Die Anbindung zeigt, welche Partien zusätzliche Hebungen erhalten.

Weiße Flächen zeigen Köperbereiche an, rote Flächen Panamabereiche. 


 
Wie wird das Ganze nun umgesetzt??! 


Jedes Kästchen in dem „Einzug“ der Bildpatrone (oben links) entspricht 3 Kettfäden in dem tatsächlichen Einzug der Bindungspatrone. D.h. wir setzen jeden dritten Kettfaden auf Schaft 1 und füllen die Lücken entsprechend mit zwei weiteren Kettfäden aus. Oben rechts neben dem „Einzug“ der Bildpatrone sind die Schäfte angegeben für einen durchgehenden Köpergrat, was man im Gewebebild darunter sehr gut sehen kann.

Hier noch die Erläuterung der Umsetzung von der „Anbindung“ der Bildpatrone (oben rechts) zur Anbindung der Bindungspatrone (unten rechts in der Vergrößerung):

Das kleine rote Quadrat in der „Anbindung“ der Bildpatrone entspricht dem roten Quadrat in der Anbindung der Bindungspatrone. Jedes Quadrat (Anbindepunkt) in der Bildpatrone steuert/betrifft zwei Schäfte und dementsprechend auch zwei Tritte. In der Bindungspatrone überschneiden sich jeweils zwei, bzw. drei „Quadrate“ in den Trittpartien. Die Einzugspartien, die nur auf Hebung angebunden sind, binden als Panama ab.
 

Wie kann nun noch der Köper, sozusagen im Hintergrund, figuriert gestaltet werden:



Von der Mitte der Kreise ausgehend, wurde hier nach jeweils zwei 3er-Kettfaden-Päckchen einfach die Einzugsrichtung gewechselt, Gleiches gilt natürlich auch für die Trittfolge:

 
 
In Ihrem Buch nutzt Marian Stubenitsky bis zu 32 Schäfte. Je mehr Schäfte zur Verfügung stehen, desto größer wird die Spielwiese; je größer die Spielwiese, desto hilfreicher ein computergesteuerter Webstuhl. Und der Code 1:2 ist nicht der einzige, es gibt noch den Code 1:1, 1:3 und 1:5, und natürlich kommen dann auch noch andere Bindungen mit ins Spiel. Weben ist einfach eine Welt mit immer wieder unendlichen Möglichkeiten, welche sich auftun.
 
Aber auch mit 8 Schäften und einem Trittwebstuhl ist schon vieles möglich, wie ich finde. 
So, nun bleibt mir nur noch euch viel Spaß beim Ausprobieren zu wünschen und mich bei Marian zu bedanken, dass Sie mir erlaubt hat meine Ausarbeitung zu diesem  Teil ihres Buches zugänglich zu machen!

Montag, 2. August 2021

Was war los auf unseren Webstühlen und Fingerloop - 01. August 2021

Kaum zu glauben, dass der letzte Treff ein Jahr her gewesen ist. So gab es auch viel zu erzählen und einiges zu zeigen. Aber erst einmal durften wir uns mit neuen Räumlichkeiten vertraut machen. Nachdem der Gemeinschaftsraum im Mettmanner Hofhaus nicht mehr zur Verfügung steht, haben wir im Caritas Netzwerktreff (ebenfalls in Mettmann) ein neues Zuhause gefunden und uns dort sehr wohl gefühlt.

Im großen Tischkreis haben wir unsere Gewebe ausgebreitet und im gemeinsamen Rundgang angeschaut, was mitgebracht worden ist. Und so unterschiedlich wie wir alle sind, sind auch die Projekte:


 
Zwei kleine Bildgewebe auf einfachen Papp-Webrahmen brachten etwas sommerliches Flair mit ihren leuchtenden Farben. Die Papprahmen müssen etwas auf Spannung stehen, das erleichtert das Weben und "Anschlagen".
 
Mit der Strickmühle aus Garn- und Trummresten hergestellte Kordeln wurden zu Topflappen/Topuntersetzern verarbeitet. Mit einem entsprechendenn Futter versehen wurden diese sogar weiter zu Teekannen-Wärmern verarbeitet.
 
 

 
Dann gab es natürlich auch das ein oder andere Handtuch und auch ein Schal hat sich in dieses Bild eingeschlichen. Die Bindung des Schals könnte man als "turned Saldräll" bezeichnen. Turned bedeutet, dass die Patrone nach links gedreht und nach rechts gespiegelt wird. Siehe auch unser Beitrag über Dräll: klick! Wer sich für die "Kreise" interessiert, wird z.B. hier fündig: on circles!



Als nächstes eine eingelesene Fleißarbeit, ein feiner Seidenstoff mit bunten Farbtupfern, ein Shadow-Weave, Badehandtücher mit Chenille im Schuss und wieder eine Resteverwertung in Form von Spültüchern.

Rechts die Patrone zum Seidenstoff mit Farbtupfern.







Und hier noch einige Wollgewebe von rechts nach links: ein Schal in einer Flechtköpervariation in feinem Merinogarn, ein Schultertuch in einer Alpaka-Wollsmischung mit Gerstenkorn-Fenstern, ein Kissenstoff in K1/3 und K3/1 aus selbstgesponnenem Coburger Fuchsschaf (diese werden noch in Einzelstücken pflanzengefärbt) und Schultertücher aus feiner Merinowolle (bereits mit Pflanzenfarben stückgefärbt - Krapp, Kiefernbraunporling und Reseda).

Rechts die Patrone für die Flechtköper-Variation.




 
Zum Schluss gab es noch die Möglichkeit "fingerloop braiding" - Fingerschlaufen-Flechten kennenzulernen. Wir haben eine Variante mit 5 Schlaufen ausprobiert. Hier einige Links zum Thema, leider wie so oft nahezu alles auf Englisch. Bei der Recherche im Netz hat sich mal wieder eine neue Welt aufgetan, so vielfältig sind hier die Möglichkeiten und Herangehensweisen. Mal sind die "Arbeitsfinger" die Zeigefinger, mal die Ringfinger.  Bei uns waren es die Zeigefinger.

loopbraider.com
sehr umfangreich

Video von Morgan Donner
so haben wir es gemacht

fingerloop.org/
ebenfalls sehr umfangreich

www.museumaargau.ch
Mit 6 Schlaufen, auf Deutsch

Fingerhäkeln
kein Fingerloop aber auch kleine Bändchen, einfach und auf Deutsch

So, das war's erst einmal. Mal schauen, ob es im September weiter gehen kann mit dem Treff!